ZUSAMMENWACHSEN - Der Pfarrplan 2024
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Unter dieses Motto hat die evangelische Landeskirche Württemberg einen Prozess gestellt, der gegenwärtig die Gremien aller Kirchengemeinden beschäftigt. In dürre Worte gefasst bedeutet dies, dass nach dem Pfarrplan 2024 die Zahl der Pfarrstellen in der Landeskirche bis 2024 um ca. 60 reduziert wird.
Warum soll die Zahl der Pfarrstellen gekürzt werden? Da können im Wesentlichen drei Punkte genannt werden:
· Der Rückgang der Gemeindegliederzahlen: genauso wie die Zahl der Einwohner in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat, ist auch die Zahl der evangelischen Gemeindeglieder zurückgegangen. Wurden 1967 noch über 5000 Evangelische in unserer Kirchengemeinde gezählt, beläuft sich deren Zahl heute auf knapp 2400.
· Zurückgehende Gemeindegliederzahlen bedeuten langfristig auch einen Rückgang der finanziellen Leistungsfähigkeit. Personalstellen müssen aber verlässlich auf viele Jahre geplant und versorgt werden.
· Vor allem aber macht sich der Rückgang der Gesamtbevölkerung auch darin bemerkbar, dass immer weniger Männer und Frauen den Pfarrberuf ergreifen, gleichzeitig aber in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen.
Würde die Zahl der Pfarrstellen nicht den rückläufigen Zahlen angepasst, gäbe es immer mehr offene, unbesetzte Stellen und die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen deutlich, dass die daraus resultierenden Vakaturen vor allem den ländlichen Raum und die Randbereiche der Landeskirche treffen würden.
Zudem soll die Zahl der Gemeindeglieder pro Pfarrstelle (= Pastorationsdichte) in etwa konstant bei 1.800 gehalten werden.
Für unseren Distrikt, der Höfen, Bad Wildbad mit allen Teilorten und Enzklösterle umfasst, ergibt sich daraus die Aufgabe, eine Pfarrstelle zu benennen, die bis 2024 oder 2030 abgebaut werden soll.
Für uns in Bad Wildbad könnte dies z.B. den Wegfall der Pfarrstelle II bedeuten und damit die Aufgabe, die dort angesiedelten Aufgaben neu zu verteilen, als da sind:
· Seelsorgebezirk in Wildbad (644), Sprollenhaus (308) und Nonnenmiss (124)
· Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen
· Zuständigkeit für Jugendarbeit und Ökumene
· Konfirmandenunterricht
· Religionsunterricht
· Gottesdienste im Ludwig-Uhland-Stift und König-Karl-Stift
· Seelsorge im Sana-Krankenhaus (Ethikkommission)
Werden diese Dienste auf andere Pfarrstellen verteilt muss vieles bedacht werden:
· Wieviele Predigtstellen entfallen auf eine Pfarrstelle?
· Wieviele Gremien müssen vom Stelleninhaber „bedient“ werden?
· Größe des Deputates für Religionsunterricht
· Auswirkungen auf die Besoldung der Pfarrstelle
· Zuweisung der Sonderdeputate (25% Tourismusseelsorge, 25% Krankenhausseelsorge, 25% Reha-Seelsorge)
· Zuständigkeiten für Kindergärten, Diakoniestation …
· Auswirkungen auf Sekretariats- und Kirchenpflegerstellen
· …
Zieht man dies alles in Betracht, stellt man fest, dass Lösungen, die zuerst klar auf der Hand liegen, ihre ganz eigenen Schwierigkeiten und Schönheitsfehler haben.
Wichtig ist dem Kirchengemeinderat, in aller Offenheit alle nur denkbaren Möglichkeiten zu bedenken und auch die damit einhergehenden Vor- und Nachteile zu gewichten. Und dabei vielleicht auch den einen oder anderen Anstoß aufzunehmen und die gegenwärtigen Strukturen zu überdenken.
In alledem ist uns wichtig, dass möglichst viel Nähe erhalten wird. Parallel dazu müssen auf der Verwaltungsebene Veränderungen in die Wege geleitet werden, damit der Pfarrdienst künftig an dieser Front stärker als bisher entlastet wird.
Mit dem Pfarrplan kommt eine neue Dynamik in einen Prozess, der im Grunde bei uns in der Region schon seit Jahren im Gange ist. Nicht aus struktureller Notwendigkeit, sondern aus der inneren Einsicht heraus, dass manches erst dann verwirklicht werden kann, wenn Kirchengemeinden und Pfarrer/innen gemeinsam und gemeindeübergreifend Hand in Hand neue Angebotsformen entwickeln.
Frei nach der Logik: Was einer allein nicht schafft, das schaffen wir gemeinsam. Das schaffen wir dann sogar besser, weil Begabungen und Fähigkeiten besser eingesetzt werden können. Ganz nebenbei entsteht auch Freiraum für andere, wichtige Aufgaben. Und so ist in den letzten Jahren ein bunter Strauß entstanden:
· Ein gemeinsam gestaltetes Grußheft für Senioren und Jubilare;
· alle zwei Jahre eine Themenreihe in Zusammenarbeit im dem Erwachsenenbildungswerk;
· der Gottesdienst zum Ausklang der Weihnachtszeit am 6. Januar;
· die Pfarrerschaft unterstützt sich gegenseitig durch eine gemeinsame Gottesdienstplanung sowie die Abstimmung der Urlaubszeiten und notwendige Vertretungsdienste.
· Das Sommertauffest wäre hier zu nennen und der Distriktsgottesdienst zum Reformationsjubiläum.
· Und auch über den Kern-Aufgabenbereich der Pfarrerschaft hinweg ist manches gemeinsame gewachsen: wie selbstverständlich werden die Kinderferienwoche in Calmbach und die Kinderbibelwoche in Wildbad von Kindern aus den anderen Gemeinden besucht, gleiches gilt für den Jugendgottesdienst in Sprollenhaus.
· Und die Posaunenchöre aus Sprollenhaus und Aichelberg haben sich zusammengetan, damit hier und dort auch weiterhin das Lob Gottes durch Trompeten und Posaunen erschallen kann.
Was bisher aus freien Stücken gewachsen ist, bekommt nun durch den Pfarrplan eine neue Nuance, weil hier nun angesichts der Reduzierung von Pfarrstellen Zusammenarbeit „verord-net“ wird.
Um eines aber gleich zu sagen: Verordnete Zusammenarbeit bedeutet nicht, dass Kirchengemeinden gezwungen werden, ihre Eigenständigkeit aufzugeben und zu fusionieren oder Verbünde zu gründen. Das können Gemeinden nur aus eigenem Wollen heraus.
Verordnete Zusammenarbeit bedeutet zunächst lediglich, dass die Aufgaben im Pfarrdienst neu verteilt werden müssen, wenn eine Pfarrstelle wegfällt.
Ein Beispiel mag das verdeutlichen:
Im Pfarrplan 2018 wurde die Pfarrstelle Calmbach II gestrichen. Die Folge war, dass das Pfarramt Höfen in Calmbach einen Seelsorgebezirk in seinem Dienstauftrag dazu bekommen hat. Beide Kirchengemeinden sind aber nach wie vor selbständige Einheiten.
Für den Höfener Pfarrer bedeutet dies nun aber, dass er Mitglied in zwei Gremien ist. Die Anzahl der Sitzungen hat sich verdoppelt. Und so wandert letztlich mehr Zeit in administrative Dinge satt in Seelsorge, Gottesdienst, Hausbesuche, Religions- und Konfirmandenunterricht.
An dieser Stelle zeigt es sich, dass es sinnvoll sein kann, auch über unsere Strukturen nachzudenken, damit die Pfarrstellen bei uns im Tal für Pfarrerinnen und Pfarrer attraktiv bleiben.
Ein Bild aus dem Bereich der Landwirtschaft ist mir in diesen Tagen wichtig geworden:
Dort werden Kulturbäume und Weinstöcke in regelmäßigen Abständen und bisweilen recht stark beschnitten, damit in den kommenden Jahren umso mehr und bessere Früchte wachsen.
Könnte das nicht ein verheißungsvolles Bild sein für das, was uns an Veränderungen bevorsteht?
Wir laden Sie ein, an diesem Prozess mitzuwirken. Sie können sich gerne mit Ihren Ideen oder Befürchtungen an die Kirchengemeinderäte und Ihre Pfarrer/in wenden.
G. Löffler, H. Volz
Vertraut den neuen Wegen
Liebe Synodale,
„Vertraut den neuen Wegen“ – das ist ja schon ein Klassiker der Moderne geworden. Eine alte, fröhliche Melodie aus dem 16. Jahrhundert, und dazu eine Text von 1989. Doch der Text bringt etwas zum Ausdruck, was im Grunde genommen zeitlos ist: den Aufbruch hin zu neuen Ufern.
Das war schon zu biblischen Zeiten so, dass Menschen aus unterschiedlichen Gründen aufgebrochen sind, ihre alte Heimat verlassen haben und sich auf den Weg in ein neues und unbekanntes Land gemacht haben. Ganz unterschiedliche Beweggründe hatten sie dabei: Mal war es der ausdrückliche Ruf Gottes, der sie bewegte, wie bei Abraham; mal war es die Angst vor der Rache des betrogenen Bruders, wie bei Jakob; mal war es eine unfreiwillige Verschleppung wie bei Josef oder bei Daniel, mal war es die Furcht vor Verfolgung wie bei Maria und Josef mit dem Jesuskind. Und viele weitere Gründe können wir finden.
Doch es geht ja nicht nur um einen Aufbruch im Sinne einer geographischen Ortsveränderung, wo jemand von A nach B oder C aufbricht – obwohl uns diese Situation ja momentan durch die Flüchtlingsbewegung ganz nahekommt. Nein, es geht auch um einen Aufbruch aus vertrauten Traditionen, vertrauten Strukturen und vertrauten Denkmustern hin zu …. – ja, und das ist das große Fragezeichen.
Wir leben nun einmal in einer Zeit, die uns als christliche Gemeinde zunehmend infrage stellt. Selbstverständlichkeiten früherer Tage werden von einer immer größeren Anzahl unserer Mitbürger nicht unbedingt mehr geteilt. Wir können uns einkapseln in unsere Gemeindeburgen, in unsere bewährten Traditionen, in unsere überkommene Liturgie und Gemeindestruktur – und wir werden nach wie vor Menschen erreichen, wenn auch tendenziell immer weniger. Oder aber wir entschließen uns dazu, aufzubrechen – hin zu neuen Ufern, ohne in der Tat genau zu wissen, wo das neue Ziel liegt.
Manchmal wird uns auch die Entscheidung von außen abgenommen, wo durch stattliche oder rechtliche Vorgaben ein Aufbruch, eine Veränderung unumgänglich ist. Als ausgeliehener rheinischer Pfarrer bin ich noch ziemlich neu hier in Württemberg und kenne noch nicht wirklich die Themenstellungen, die Sie, liebe Synodale, momentan bewegen. Doch ich vermute einmal, dass sie im Kern wahrscheinlich nicht wesentlich anders sind, als die Themen, die uns auch in der rheinischen Kirche bewegten – und die mannigfachen Beilagen zur Synodeneinladung weisen in die gleiche Richtung: Demographischer Wandel, gesellschaftlicher Wandel, Arbeitswelt und Mobilität, Alter und Gesundheit, Diakonie im Umbruch – da tut sich etwas, und wir sollten darauf reagieren, sollten aufbrechen aus Vertrautem, um den Anschluss an die Menschen unserer Gegenwart nicht zu verlieren.
„Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist…“ – das ist nicht immer ganz einfach, in den vielen Stimmen ringsumher, die uns erreichen, die Stimme des Herrn zu erkennen und damit den Weg zu erkennen, den er uns weisen möchte. Doch wir werden nicht darum herumkommen, Schritte auf unsicherem Terrain zu gehen, ohne letzte Sicherheit, nur getragen von der Verheißung: „Und unser Herr geht mit!“
Doch das sollte uns nicht Bange machen – die Väter und Mütter des Glaubens in der Vergangenheit hatten oftmals auch keine größeren Sicherheiten als diese, und sie haben die Herausforderungen ihrer Zeit bestanden - im Vertrauen darauf, dass sie diesen Weg nicht alleine gehen. Denn „er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.“ Was das für eine Zukunft sein wird, ist uns letztlich noch verborgen, aber es wird eine Zukunft sein, in der die christliche Gemeinde – in welcher äußeren Form auch immer – weiterhin ein Zeugnis für die Gegenwart unseres Herrn und Gottes in dieser Welt, auch der württembergischen Welt, sein wird. „Wer aufbricht, der kann hoffen, in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.“ Gehen wir diesen Aufbruch daher getrost an, denn Gott will, dass wir ein Segen für seine Erde sind. Amen.
Pfarrer Kurt Fischer
Andacht Bezirkssynode Neuenbürg, 26.2.2016