Morgenstund hat Gold im Mund

Lukas 22, 47-62

 

Eigentlich hätten die uns Bescheid geben können, dass heut Nacht noch etwas läuft. Dann hätte ich mich nicht so in meine Träume vertieft, dachte Claudius. Bruddelnd, den Schlaf noch  im Gesicht, stieg er aus dem Bett. Soldat sein in einer so entfernten Provinz hatte er sich gemütlicher vorgestellt. Auf dem Weg in die kalte Aprilnacht von der Kaserne bis zum jüdischen Gerichtshof, wachte Claudius vollends auf. Ihn fror. Schon von weitem konnte er den Schein des Lagerfeuers sehen. Wenigstens muss man nicht frieren. Er machte es sich am Feuer gemütlich, zog den Mantel etwas enger um die Schultern und sah sich um. Der innere Gerichtshof war hell erleuchtet: Sämtliche Pechfackeln waren angesteckt. Claudius erkannte die Ratsherren Hannas und Kaiphas und dort drüben den Gefangenen. Claudius durchfuhr es heiß und kalt. Das ist doch Jesus, Jesus von Nazareth. Warum haben sie ihn gefangen? Jesus den Propheten, der von Gott so redet, als wäre das sein Vater. Als hätte er einen Schlag vor den Kopf bekommen, sitzt Claudius da. Hatten sie es doch geschafft, die Pharisäer! Jesus würde bestimmt verurteilt werden. Claudius war noch ganz in Gedanken versunken, deshalb hatte er den Mann nicht kommen sehen, der sich jetzt vorsichtig am Feuer niederließ. Erst die giftigen Worte einer Frau schreckten ihn auf: „He du, du gehörst doch auch zu diesem Jesus von Nazareth.“ Erschrocken drehte sich der Mann am Feuer um. Angst stand in seinem Gesicht. „Du weißt nicht, was du redest“, sagte der Mann und schnell zog er den Mantel fester um sich. Aber das ist doch einer von Jesu Freunden. Wie ein Blitz durchzuckte es Claudius. War das nicht Petrus, der Fischer? Die Frage schoss ihm förmlich aus dem Mund: “Habe ich dich nicht bei diesem Jesus gesehen?“ Doch der Mann am Feuer sagt nur: „Ich kenne diesen Jesus nicht.“

Claudius konnte es nicht fassen, das war ja ungeheuerlich. Da bemerkte schon ein Anderer: „Du sprichst doch den gleichen Dialekt.“ Der Mann im Mantel fuhr herum: „Ich will verflucht sein, wenn ich diesen Jesus schon einmal gesehen habe!“ In diesem Augenblick krähte ein Hahn. Claudius sah, wie der Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht zum Gerichtshaus hinüber sah. Jesus hatte den Kopf gedreht. Es schien so, als schaute er geradewegs diesen Mann an, der eben geschworen hatte, ihn nicht zu kennen. „Es ist doch Petrus!“, dachte Claudius. Da stand der Mann mit einem Ruck auf und rannte aus dem Hof. Claudius meinte ein Schluchzen gehört zu haben.

Jesus stirbt

Johannes 19, 17-30

 

Sie haben es geschafft, die Gegner Jesu! Falsche Zeugen, falsche Aussagen, Menschenmassen zum Schreien bewegt. Die Nacht war aufregend gewesen, doch es hat sich gelohnt. Jesus war verurteilt worden. Erst vom Hohen Rat der Juden und nun vom Stellvertreter des Kaisers von Rom, von Pontius Pilatus. „So kann der Messias nicht sein. Wir müssten uns ändern.“ So und ähnlich lauteten die Gründe, die zur Ablehnung und zur Verurteilung Jesu geführt haben. Aber jetzt ist es vorbei.

Die Soldaten packen Jesus und bringen ihn hinaus zur Hinrichtungsstätte Golgatha. Neben ihm werden zwei Verbrecher gekreuzigt. Der ganze Schmerz, das ganze Leiden, vor dem Jesus Angst hatte, jetzt ist es da. Über ihm wird ein Schild aufgehängt, in mehreren Sprachen: „König, der Juden.“ Welch eine Aufregung, aber Pilatus lässt es hängen. Jesu Kleider: die Soldaten würfeln, wer sie bekommt. Und dann stehen da mitten in der Menschenmenge seine Mutter, Maria Magdalena und andere Frauen, die Jesus immer begleitet haben. Sie halten bei ihm aus, weinen und klagen um ihn. Von seinen Freunden ist nur Johannes da. Er hält Jesu Mutter fest im Arm, fast wie ein Sohn.

„Er ist jetzt dein Sohn“, sagt Jesus zu seiner Mutter. „Sei zu ihr wie zu deiner Mutter“, sagt er zu Johannes. Es ist, als würde das Leben aus Jesus heraus fließen. Er bekommt einen letzten Schluck Essigwasser zu trinken, dann ruft er: „Es ist vollbracht!“

Sein Kopf fällt auf die Brust. Jesus ist tot.